Donnerstag, 25. Juni 2020

Wie gewonnen so zerronnen – Lufthansa-Rückerstattung landet auf Wirecard


Markus Segelbauer (43) hat vor wenigen Monaten ein Ticket bei der Lufthansa gebucht. Nach coronabedingter Annullierung seines Fluges verabschiedete er sich innerlich von seinem Geld. Immerhin schien die Lufthansa von zwei Monaten schwächelnder Reiselust in die Knie gezwungen worden zu sein. Als heute jedoch bestätigt wurde, dass der Konzern vom Staat mit 9 Milliarden Euro gerettet wird, knallten bei Segelbauer die Sektkorken. Was dann geschah, hätte sich das Schicksal nicht besser ausdenken können. Mehr dazu im Artikel.




Gütersloh – Als Markus Segelbauer aus NRW im Dezember 2019 das erste Weihnachtsgeld seit Jahren erhielt, beschloss er, sich etwas ganz Besonderes zu gönnen. Über ein renommiertes Reisebüro buchte er nichtsahnend einen Flug bei der Lufthansa. „Zu wissen, dass ich Gütersloh diesen Sommer für ein paar Wochen verlassen kann, trieb mich daraufhin zu Höchstleistungen in meinem Job“, erzählt Segelbauer. „Doch dann kam Corona!“

Sämtliche internationalen Flüge wurden gestrichen. Segelbauers Hoffnung, dass er wenigstens den Ticketpreis erstattet bekäme, erfüllte sich zunächst nicht. Die Lufthansa fror alle Konten ein und verschob eine Rückzahlung in die unbestimmte Zukunft. Noch vor zwei Wochen dachte er sich notgedrungen, dass ein Sommer in Gütersloh schon irgendwie zu ertragen sein wird, wo nun der ‚Lockdown‘ wenigstens gelockert wurde. „Und dann kam Tönnies!“, seufzt der gebrochene Mann.

Weil er vor der großen Krise Tickets für sich und seine Familie gebucht hatte, hätte Segelbauer aufgrund der Corona-Stornierung eine große Rückzahlung zu erwarten. Im Fall einer Lufthansa-Insolvenz wäre das Geld jedoch im Nirwana der Buchhaltung verschwunden. Der ständige Wechsel zwischen der drohenden Niederlage und einer staatlichen Finanzspritze für den Flugkonzern strapazierte Segelbauers Nervenkostüm aufs Äußerste.

Heute fand das Warten endlich ein Ende. Gegen Mittag kam Frau Segelbauer ins Wohnzimmer gestürmt. Sie hielt ihr Handy in der rechten sowie eine Flasche Sekt in der linken Hand und verkündete feierlich die Rettung der Lufthansa. Es würde sich nur noch um Stunden handeln, bis die Ticketgebühren zurück auf dem Wirecard-Konto der Familie eingehen.

Als kleines Trostpflaster für den entgangenen Urlaub beschloss das Ehepaar kurzerhand, sich für das Geld stattdessen einen Shopping-Tag der Extraklasse zu gönnen. Mit der Kreditkarte von Frau Segelbauer investierten sie in Friseurbesuche, luxuriöse Unterwäsche und vom Umtausch ausgeschlossene Elektronik-Artikel.

„Weil Bielefeld aufgrund der neuen Corona-Mauer momentan nicht existiert, sind wir direkt in die Innenstadt von Gütersloh gefahren“, erzählt Segelbauers Frau mit düsterem Blick. „Meine Karte ist jetzt hoffnungslos überzogen.“

Da jedoch heute zeitgleich zur Rettung des Lufthansa-Konzerns die Insolvenz der Firma Wirecard bekanntgegeben wurde, wird die gesamte Rückerstattung auf einem eingefrorenen Konto landen. Die Familie steht vor dem völligen Ruin. Da es wegen Corona in Gütersloh außer für die bei Tönnies für die Bilanz von NRW arbeitenden Schlachtsklaven keine Arbeitsplätze mehr gibt, besteht auch keine Chance, den Verlust durch Überstunden irgendwie auszugleichen.

Markus Segelbauer selbst ist zu keinem Kommentar bereit. Auf seinem Laptopmonitor prangen seitenweise Suchmaschinenergebnisse zum Thema Insolvenz. Er sitzt seit einiger Zeit mit zuckenden Augenbrauen auf seinem Sofa und starrt auf das Poster mit einer palmenbestandenen Südseeinsel an der Wand seines Wohnzimmers. In seiner Hand eine Wurst von Tönnies, weil jetzt sowieso alles egal ist.


Autor: Adriano Holatz

Bilder (verändert):
1) Wirecard AG, gemeinfrei
2) pixabay.com, Lizenzfrei


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